Laudatio zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Gabriele Caspers in Maasen am 9. Oktober 2004

Guten Abend, meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung dieser Ausstellung. Mit Martin Mindermanns Arbeiten, wie wir sie hier ausgestellt sehen, erleben wir das Werk eines Keramikers, der sich längst einen Namen gemacht hat. Wer sich in der Keramikszene auch nur etwas umtut, stößt immer wieder auf den Namen Martin Mindermann und auf Abbildungen seiner Gefäße. Zahlreiche Ausstellungen mit Mindermanns Arbeiten seit mittlerweile 15 Jahren bekunden eine große Sammlerschaft, die sich um ihn herum gebildet hat, und die Preise und Auszeichnungenm die der Keramiker schon jung erhalten hat, verweisen auf sein großes Talent. Jeder Preis - mit einer Geldsumme dotiert, von Presseberichten und einer feierlichen Veranstaltung begleitet - jeder Preis ist Förderung und Bestätigung und weist darauf hin, dass sich bei Martin Mindermann die Fachkreise einig waren und sind: den wollen wir wiedersehen und den wollen wir bei uns behalten in der kleinen aber feinen Keramikwelt.
Was ist das Besondere an den Arbeiten Martin Mindermanns?
Allen voran sind sie schön und prächtig und diese offenkundige, verschwenderische, luxoriöse Schönheit, diese Augenweisen, lassen für Momente jeglichen Alltag verblassen. Man möchte sie in Ruhe von allen Seiten betrachten, sie fühlen, sich ihnen nähern. Mindermann huldigt aber auch neben der Ästhetik jedem anderen nur denkbaren Aspekt der Keramik. Zerlegen Sie ein Gefäß in all seine Bestandteile und Sie werden sehen, dass Mindermann jeden eiinzelnen Aspekt mit äußerster Sorgfalt und Könnerschaft behandelt: Die Form, die Glasur, die Farbigkeit, den Innenraum, die Oberfläche, den oberen Rand und den unteren Stand. All diese Elemente erfahren bei Martin Mindermann genauste Betrachtung und intensivste Behandlung. Es handelt sich um im Prinzip einfach, bauchige Kummen-, Kugel- oder Linsenformen, die in ihren unterschiedlichen Ausformungen eines gemeinsam haben: sie bieten großzügige Flächen für das Zusammenspiel aus farbigen Glasuren und den Craquelé-Strukturen der Außenhaut. Feinste Haarrisse und auch tiefergehende Spuren werden so komponiert, dass sie ein Bild ergeben.
Die Übergänge zum Inneren sind in Mindermanns Gefäßen immer fließend - man findet im gesamten Werk keine schroffen Kanten oder harten Abschlüsse - und sie lassen einen großzügigen Blick auf die Farbigkeit im Inneren zu. Da drinnen passiert nämlich noch mal was ganz eigenes, wenn Mindermann kupferne oder goldene Räume schafft. Hier wird das Licht eingefangen und das Gefäß strahlt aus sich heraus. Es wäre zwar irgendwie rein theoretisch möglich, die Gefäße mit irgend was zu füllen, aber wer würde sich freiwillig dieses Anblickes berauben? Es entstehen in der Bremer Werkstatt aber auch überdimensional große Gefäße ohne Henkel und Tüllen und ohne Schnörkel, die dann schon eher skulturalen Charakter haben und körperhaft wirken.
Mindermann arbeitet in der Raku-Technik, wie die meisten von Ihnen sicher wissen. Etwas verkürzt geht das so vonstatten: das dickwandige Gefäß wird auf der Scheibe gedrehtoder aus mehreren gedrehten Teilen zusammengesetzt und dann abgedreht. Die Glasurträgt Mindermann der fließenden Übergänge willen mit einer Spritzpistole auf. Anschließend wird das Gefäß zwölf lange Stunden im Ofen gebrannt und dann kommt der eigentliche Höhepunkt dieser langwierigen Prozedur: Mindermann holt das rotglühende, unsäglich heiße, mit Feuerwut aufgeladene Gefäßaus dem Ofen und legt es in eine Grube, die mit Sägespäne befüllt ist. Es zischen die Funken, es dampft und schwelt. Die Außenhaut platzt unter dieser Spannung des Kältschocks auf, knackt und reißt. Was da passiert, hat Mindermann selbst in einem Artikel so wunderschön beschrieben, dass ich es hier wiederholen will. Er schreibt: "Während mir der Rauch den Atem verschlägt, zerreißt die Glasurhaut in einem Netz von Rissen, die nie mehr verheilen werden, die noch schwarz tätowiert werden vom harzigen Pechqualm des Holzes und die der Betrachter später Craquelé nennt." An den Stellen, an denen es eine Berührung durch den Eisenhandschuh Mindermanns oder der Zange gibt, platzt die Glasur also auf. Mindermann steuert diesen Prozess, indem er bisweilen mit dem kalten Lufthauch des Föns ganz gezielt Spuren legt, die dann etwas kräuselig, dichter, enger werden. Viel kann Mindermann steuern, die Farbigkeit, die Verdichtung oder Sparsamkeit des Craquelès, aber kann er auch nicht alles beeinflussen. Trotz allem Kalkül hat sein Material auch ein Eigenleben, trotz aller Könnerschaft, aller Erfahrung gibt es immer noch ein Quäntchen Unwägbarkeit, das der Keramiker allerdings außerordentlich schätzt. Jede Berührung zuviel wäre fatal, jede kleine Unachtsamkeit würde den Arbeitsprozess von mehreren Tagen innerhalb von Sekunden zunichte machen, aber manchemal entstehen durch die Eigenmacht der Hitze auch Seiten, die nicht so geplant sind und die in den Augen des Künstlers trotzdem Bestand haben. Nach einer dunklen, einsamen Nacht in der rauchenden Sägespäne schaufelt Mindermann dann die Gefäße mit den Händen frei, sucht sie aus dem Berg aus Späne, und diese Szenerie, wenn sie dann dort auftauchen, lässt einen an Phönix aus der Asche denken. Und wenn sie dann von der rußenden Schwärze und den hafenden Sägespänen befreit werden und Schritt für Schritt ihre schillernde Farbigkeit, ihre Leuchtkraft und die glänzende, handschmeichlerische Oberfläche enthüllen, dann ist das ein ganz besonderer, fast schon mystischer Vorgang. Ich konnte im zurückliegenden Sommer Zeugin dieses Vorgangs sein und kann Ihnen versichern, dass solch ein Erlebnis lange in einem nachklingt. Sicher kommt auch in dem Film dieser Eindruck bei Ihnen an. Im Anschluss an die Bergung des Gefäßes wird geschliffen und poliert, mit Blattgold veredelt, gedreht und gewendet. Und dann stehen sie plötzlich hier, an einem ganz anderen Ort, wie geschniegelt und fein gemacht, präsentiert und ausgeleuchtet, und nehmen wie selbstverständlich sofort den Raum um sich herum ein. es sind einmalige, unverwechselbare Aussagen eines Künstlers, der sein ganzes Können in den Dienst des Gefäßes stellt. Neben dem Drehen und dem Schaffen von völlig ausgewogenen, 100% symmetrischen Kegel- und Linsenformen und neben der meisterlichen Beherrschung der ihm am meisten zusagenden Raku-Technik stechen die Gefäße Mindermanns aber auch durch ihre malerischen Qualitäten hervor. Mindermanns etwas unorthodoxer Umgang mit bestimmten Zusätzen wie z.B. dem Blattgold gehen ganz sicher auf seine Zeit als Malergeselle zurück. Sehr häufig erlebt man in der Keramik, dass das Verlassen der traditionellen Wege, wie z.B. das nachträgliche Bemalen von Gefäßen oder ähnliches, nicht zu einer Qualitätssteigerung führt. Bei Mindermann liegt aber eine große Sicherheit in der Auswahl seiner Mittel vor. Das kermikfremde Material bereichert das Gefäß.
Immer hat die uralte Tradition der Gefäßkeramik der Glasur einen sehr großen Stellenwert beigemessen, aber Minndermann setzt dieser Tradition noch weitere Glanzpunkte auf. Wie ein Stück Malerei lässt die Oberfläche Raum für wunderbare, geradezu poetische Strukturen, für filigrane Netze oder traumähnliche Landschaftsbilder und fließende Farbefelder. Für mein Empfinden aber schwingt der ganze, langwierige Arbeitsprozess von Behutsamkeit einerseits und Schwerstarbeit andererseits - bedenken Sie das Gewischt dieser voluminösen Formen - in diesen Arbeiten auch immer mit. Ich finde, was Martin Mindermann hier präsentiert, ist ein außerordentlich reifes und eigenständiges Ouevre. Körperhaftes Volumen, Schwere und Masse, eine handschmeichlerische Oberfläche, die zum Anfassen verführt, eine glitzernde, bisweilen metallische Außenhaut, weiche Übergänge, Licht, das im kupfernen oder goldenen Innenraum strahlt: Mindermanns Arbeiten sind hochgradig ästhetisch und wurzeln dennoch ganz bewußt in der Tradition.
Ich danke Ihnen.